Adios schöne Südinsel! Christchurch, Kaikoura, Picton – letzter Artikel aus dem Süden vom Fähren-CheckIn

Per SMS haben wir am Dienstag Nachmittag mit Sean ein Wiedersehen vereinbart. Zuvor irrten wir auf Dusche-Suche durch Christchurchs Straßen und Vororte. Die Duschen neben der I-Site am Square, die wir vor drei Monaten stets nutzten, lagen innerhalb des Sperrbezirks und waren nicht zugänglich, wahrscheinlich auch überhaupt nicht mehr funktionstüchtig. Da viele Anwohner aufgrund des Bebens noch immer von Trink-/Frischwasserzufuhr abgeschnitten waren, fanden wir in Richtung New Brighton mobile, öffentliche Duschen. Wir fragten zuerst, ob uns als Reisenden der Zugang zu diesen Duschen überhaupt möglich wäre und wurden freundlich auf eine heiße Dusche hinein gebeten. Schon krass, überall in Christchurch standen Container – Wasserzufuhrfässer in jeder Straße, Dixie-Klos  (neuseeländisch: Portaloo) an fast jeder Ecke, mobile Duschen in sämtlichen Vierteln – eine Container-Substadt innerhalb der Stadt! Gegen Vier hielten wir vor Seans momentanem Wohnsitz, sprich vor dem Haus, in welchem Seans Schwester Tara, ihr deutscher Freund sowie Labrador Midnight sich ein Zimmerchen teilten. Wir begrüßten Sean freudig, folgten ihm in den Hinterhof, wo sein Zelt auf einem Stück Rasen stand und wir uns auf Gartenmöbeln zum Kaffeetrinken niederließen. Während wir saßen, uns über unsere sowie Seans Erlebnisse der letzten Zeit und das Geschehene in Christchurch unterhielten, verzogen sich die Wolken. Wir brachen gemeinsam zu einem Spaziergang auf, liefen in Richtung Zentrum, wo wir Sean damals kennen gelernt und die meiste Zeit in Christchurch verbracht hatten. Wir zogen vorüber an Wohnhaus-Siedlungen und es war einfach nur paradox wie freundlich die Sonne schien, der Himmel blau leuchtete, zugleich aber übel zerstörte Häuser und Geschäfte rechts und links von uns erschienen. Zum Teil waren einfach nur noch Schutthaufen übrig. Hinter einem Metallzaun entdeckten wir in einem riesigen Steinhaufen noch Halstücher und Kleidungsstücke. Als wir durch den Hagley Park liefen, schien ebenfalls alles fast so friedlich wie immer – Rasen grün, Enten auf dem Flüsschen – wären da nicht riesige Zaun-Absperrungen mit patrouillierenden Soldaten eine Ecke weiter. Und irgendwie wirkte doch auch der Park-Fluss trüber also sonst. Abwasser- als auch Trinkwasserleitungen seien beschädigt und würden sich noch immer in die Wasser der Stadt mischen. Nichts trinkbar, selbst an den aufgestellten Trinkwasser-Container hängen große Schilder, dass sämtliches Wasser vorm Genuss abgekocht werden muss. Plötzlich stellte sich am Himmel ein Regenbogen dar, direkt über einer Kirche, durch deren Giebel man auf die andere Seite schauen konnte, weil sämtliche Wände heraus gefallen waren. Aus dem Christ College kamen gerade viele kleine Jungs in ihren nadelgestreiften Uniformen heraus. Auf dem Schulgelände Klassenräume in Boxen und am Dach der neogothischen Schule Arbeiter mit dem Abtragen der Ziegel und Fassade beschäftigt… Wir bogen in die Worcester Street, die Straße, welche schon von Weitem direkten Blick auf Square und Kathedrale bot und auf welcher sich die nun geschlossene Arts Gallery sowie andere Kultur-Einrichtungen befinden. Die meisten hatten wir damals angesehen: reges Treiben, viele Menschen, Lebendigkeit. Heute fast wie ausgestorben, bis auf einige andere Besucher, die mit eigenen Augen sehen wollten, was das Beben verändert hatte und dies mit ihren Kameras dokumentierten… so wie wir! Irgendwann erreichten wir den Sperrzaun, waren vielleicht gerade bis auf 300m an den Square heran. Vor uns Soldaten, die in einem Zelt saßen und diskutierten, in welchen Einrichtungen Christchurchs sie Rabatte bekamen. Sie trugen im Übrigen keine Maschinengewehre! In der Ferne erkannten wir die Fassdade der Kathedrale, aber keinen Turm. Den gab es nicht mehr! Die Statue des Square war ebenfalls gestürzt. Bloß das Podest war noch zu sehen. Weit und breit – bis auf die Soldaten am Zaun – keine Menschenseele in der Stadt. Traurige Anblicke! Christchurchs Zentrum kaputt und verlassen… eine Geisterstadt. Einige Meter weiter stand ein anderer Zaunabschnitt kurz offen. Soldaten und drei Gäste kamen bepackt mit Taschen und Rucksäcken auf den Ausgang zu. Scheinbar hatten diese Leute, vielleicht Reisende, die Erlaubnis bekommen, ihre Wertsachen aus der Sperrzone heraus zu holen. Die Restaurants und Bars entlang des Avon River standen leer, wirkten als wären sie vor Minuten erst sturzartig verlassen worden. Blumenkübel, Tische und Stühle lagen umgekippt in der Sonne, Fassadenteile und Dächer waren zu Boden gefallen. Hier hatten wir mit dem Schweden und Sean nach einem Buskingabend mit Steinlager angestoßen! All diese Plätze waren nicht mehr zugänglich. Wie lange würde es brauchen, eh hier wieder Ordnung herrschte? Komisch, traurig und so paradox an solch einem sonnigen, lachenden Nachmittag. Raschelndes, rot-gelbes Herbstlaub entlang der Avon-Ufer, von denen Armee-Mobile nicht weit entfernt standen. Wir liefen weiter entlang der Zäune um die abgesperrte Innenstadt. Da ragte das Grand Chancellor Hotel weit in den Himmel, schief und zur Hälfte etwas abgesackt… Es würde noch fallen müssen. Auf dem Parkplatz eines Geschäftsgebäudes befanden sich Wellen im Boden: Betondünen – aufgeworfen durch die mächtigen Kräfte des Bebens. Durch die Scheibe einer Drogerie fiel unser Blick auf ausgekippte Regale. Cremes und andere Kosmetika lagen verteilt über den Boden. In einem benachbarten Geschäft bedeckte eine 20cm hohe Staubschicht den Boden. Tonnen dieses Staubs wurden bereits aus der Innenstadt befördert. Insgesamt spazierten wir zwei Stunden mit Sean durch die Straßen, hielten immer wieder ungläubig vor Zäunen und Schutthaufen. Der Rückweg führte uns über eine Brücke des Avon Rivers. Die Straße war hier abgekippt und längs gespalten. Über einen Meter Höhenunterschied entlang der Risskanten. Wahnsinn! Die Risse setzten sich sogar auf die Wiese am Fluss fort. Über einem Friedhof, an welchem wir vorbei kamen, ging die Sonne unter, tauchte den Himmel in unglaubliche, faszinierende Rottöne. Auch auf dem Friedhofsboden Risse und ein Dixie-Klo direkt davor. Komische Szenen! Kurz vor Sieben erreichten wir wieder Seans Bleibe, verabschiedeten uns von ihm bis zum nächsten Abend, an welchem wir uns zu Open-Air-Konzert- und anschließendem Film-Besuch noch einmal treffen wollten. Diese Open-Air-Veranstaltung gibt es in regelmäßigen Abständen seit dem September-Beben in Christchurch. Nennt sich Gapfill und dient dem Zusammenfinden und Zusammenhalt der Christchurcher in ihrer schweren Zeit. Nach schnellem Einkauf und Abendbrot machten wir uns auf zu Pascals Abschiedsfeier in einem Privatanwesen am Avon-River, ganz nahe an der zerrissenen Brücke. Wir fanden einen Parkplatz auf der gegenüberliegenden Flussseite und erhielten auch gleich die Parkerlaubnis des Müll-raus-bringenden Anwohners, vor dessen Haus wir uns abgestellt hatten. Noch einmal schlafen direkt am Avon, unter Weiden… Ruhigen Gewissens und ohne Sorge um nächtliche Schlafplatzsuche betraten wir die Feierräumlichkeiten. Etwa fünfzehn Leute zwischen 20 und 40 Jahren standen hier lachend und quatschend in Küche und Wohnzimmer herum. Wir freuten uns Pascal wiederzusehen und erfuhren von ihm den Grund für seinen Umzug nach Melbourne, der bereits in zwei Tagen anstehen würde. Zusammen mit einigen anderen Mitschülern seiner Zirkusschule wurde er nach Australien geschickt, weil die Christchurcher Zirkusschule aufgrund von Erdbebenschäden geschlossen war. Die meisten der Gäste waren deshalb auch Zirkusmenschen. Es war eine ganz eigene, interessante, bunte Atmosphäre. Schräge Typen, lustige Typen, aber allesamt freundlich, locker und offen! Es machte Spaß sich unter ihnen aufzuhalten, ihnen zuzuschauen und mit ihnen den Abend zu verbringen. Stets waren sie irgendwie am Spielen mit irgendwelchen Dingen, performten zu späterer Stunde ganz spontan Tänze und Auftritte, Comedy und Magie. Wir dankten Pascal sehr für die schönen Stunden und verabschiedeten uns gegen Eins von ihm. Bis bald, in Melbourne! :-)
Am Mittwochmorgen erblickte ich Enten unter den Weiden auf dem trüben Avon-River Christchurchs. Wir verließen unseren Seitenparkplatz am Fluss, waren erst etwas ziellos… Christchurch ohne Zentrum… wo sollten wir hin? Schließlich fuhren wir in den Hagley-Park, frühstückten am Parkfluss in der wärmenden Sonne. Ich unternahm anschließend einen Spaziergang durch den Park, der außergewöhnlich ruhig wirkte. Ich lief an Plätzen vorüber, die ich schon kannte, jonglierte ein wenig unter den Bäumen und dachte an Tomomi, entdeckte sogar noch Zikadenhüllen an den Bäumen, deren Blätter zum Teil bereits herbstliche Farben angenommen hatten. Friedlich war der Park, hatte etwas ganz besonderes an sich, wie damals schon, bot einen Ruhepol in dieser großen Stadt.  Wieder zurück bei Wolfi und Joy wussten wir wiederum nicht recht, was wir mit uns in diesem Christchurch anfangen sollten… Wir fuhren nach Riccarton, einem Vorort, besuchten das Gitarrengeschäft, das damals die tolle 12-Saiten-Gitarre hatte. Zu Wolfis Bedauern war diese gerade verkauft worden. Was nun? Noch einmal planlos zurück in Richtung Zentrum bis plötzlich ein Auto hinter uns Lichthupe gab. Wir hielten und fielen Nils und Dani in die Arme! Kannten die beiden durch die Dortmunder schon aus Queenstown und Dunedin. Lustig! Die beiden hielten sich zwecks Autoverkauf in Christchurch auf und waren gerade am Flyer verteilen, was sich, da sämtliche Hostels geschlossen waren, ziemlich schwierig gestaltete. Wir quatschten ein wenig, tauschten Nummern und berichteten von dem Gapfill-Konzert am Abend. Vielleicht würden die beiden auch kommen. Weiter ging unsere ziellose Fahrt. Erfolglos blieb unser Versuch unsere Trinkwasserflaschen aufzufüllen, da sämtliches Wasser erst abgekocht werden sollte. Irgendwie landeten wir etwas später wieder in Riccarton, kauften uns ein Eis und riefen von einer Telefonzelle die Jungs, Jelle und einige Wwoof-Gastgeber in Auckland an. Telefonieren war von sämtlichen Telefonzellen Christchurchs wegen des Bebens kostenlos auf alle neuseeländischen Nummern. Die Dortmunder waren nun bereits in Wellington, hatten eine stürmische Fährenüberfahrt. War lustig sie mal wieder zu hören! Jelle steckte noch immer in Motueka fest, schien da so schnell auch nicht weg zu kommen, weil Auto kaputt und Geld knapp. Würden sie nicht noch einmal sehen vor unserer Abreise! Vielleicht in Deutschland wieder! Und die Wwoof-Anfragen für Auckland ergaben vorerst nicht viel. Wäre ja eine kostengünstige Alternative zum Hostel… Aber so richtig an Auckland mochten wir auch nicht denken und gaben bald auf. Wir setzten uns am späteren Nachmittag schließlich in einen Internet-Shop, in welchen kurz darauf tatsächlich auch wieder Nils und Dani herein spazierten. Gegen Fünf brachen wir auf in Richtung Gapfill, gefolgt von Dani und Nils, kamen dort um einiges später erst an – Pak’nSave-Einkauf sowie viele gesperrte Straßen stellten sich in den Weg. Sean hatte leider abgesagt. Wir würden ihn somit nicht mehr sehen – nicht in Neuseeland zumindest. Zuhause vielleicht, denn er plant wieder nach Deutschland zu gehen. Wir würden uns freuen ihn dort begrüßen zu dürfen! Er hat einen großen Teil zu unserem Christchurch-Leben und vielen neuen Erfahrungen beigetragen! Danke! :-) Zu viert betraten wir einen Schotterplatz hinter einem Baumarkt, auf welchem gerade eine Band vor einem kleinen Publikum spielte. Warm eingepackt setzten wir uns auf Campingstühlen zwischen die Zuhörer. Irgendwie einfache, aber sehr gemütliche Atmosphäre. Hatte ein ganz klein bisschen was von der Wunderbar in Lyttelton. Tatsächlich erkannten wir auch zwei Leute aus Lyttelton wieder, darunter den alten Poeten, der damals im Singsang unheimliche Eigenschöpfungen vortrug. Beleuchtete Bettgestelle, ausrangierte Betten und Schaukeln dienten den Leuten als Sitzmöglichkeiten. Andere saßen Fish’nChips essend auf Picknickdecken herum oder eben Bier trinkend auf Campingstühlen. Plötzlich erschienen zwei Menschen mit Hund. Wir winkten ihnen zu und schon machten es sich Tara, Seans Schwester, ihr Freund sowie Hund Midnight bei uns gemütlich. Nach dem die Band ihren Auftritt beendet hatte, begann um Sieben der Filmabend, per Beamer auf die Rückwand des Baumarktes. Auf zwei neuseeländische Kurzfilme folgte ein neuseeländischer Dokumentar-Film von Peter Jackson, der mit jeder Minute unglaublicher schien. Wolfi und ich guckten uns immer wieder verstört an, wollten nicht glauben, was da berichtet wurde. War witzig als am Ende aufgelöst wurde, dass der gesamte Doku-Film in der Tat frei ausgedacht war. Hatte Unterhaltungswert! Zum Aufwärmen kehrten wir mit Nils und Dani anschließend noch im McDonalds ein. Beim Verlassen kamen Wolfi und ich kurz ins Gespräch mit einem neuseeländischen Soldaten von der Nordinsel, der nun Christchurchs Zaun-Patrouille angehörte und soeben seine 12-Stunden-Schicht beendet hatte. Kurz nach dem Beben hätte es viele verzweifelte Ladenbesitzer gegeben, die versucht hatten über die Absperrungen zu klettern, doch nun wäre der Wachjob ziemlich eintönig geworden. Täglich zwölf Stunden, kaum Menschen um sich und zunehmend kühlere Temperaturen. Wir erzählten ihm, dass wir vor drei Monaten unbeabsichtigt lange in Christchurch hängen geblieben waren und die Stadt nun so verändert noch einmal wiedersahen und wie komisch das für uns war. War ein sehr nettes Gespräch mit dem Mann, der da zusammen mit vielen anderen eine bemerkenswerte Aufgabe erfüllt. Gegen Elf führten wir Nils und Dani durch das offene Tor auf unseren leeren Hagley-Park-Schlafplatz.
Am Donnerstag lief ich nach dem Frühstück noch eine letzte Runde durch den Hagley Park. War schön, dies noch einmal zu tun . Der Abschied von Christchurch stand bevor und irgendwie war das schon ein wenig merkwürdig. Wir würden uns an die Momente und Erlebnisse in dieser Stadt unsere Leben lang erinnern, viele Bilder von ihr in uns tragen und wer weiß, sie vielleicht irgendwann noch einmal wiedersehen! Hoffentlich wird die Stadt ihren Weg finden mit dem Geschehenen umzugehen und in einen Alltag zurück zu kehren! Wir wünschen Christchurch und den Bewohnern alles Gute! Nach Verabschiedung von Dani und Nils verließen wir Christchurch in Richtung Kaikoura, kamen nach kleinen Stopps am Straßenrand bald in das flache Weinanbaugebiet um Waipara. Als wir das große MudHouse-Schild auf der rechten Seite entdeckten, machten wir kehrt. Nachdem wir auf dem Clearvue-Vineyard zweieinhalb Wochen an Trauben für den MudHouse Pinot Noir gearbeitet hatten, mussten wir diese Gelegenheit noch am Schopf packen und uns auf dem namenhaften Weingut mal umsehen. Edel von außen als auch von innen. Wir wurden freundlich empfangen, schauten uns um und wurden, nachdem wir erwähnten, dass wir auf dem zu MudHouse zugehörigen Clearvue Vineyard in Central Otago gearbeitet hatten, glatt auf eine Weinprobe eingeladen. Am Tresen erklärte uns ein netter Herr, wie genau man bei einer Weinprobe vorgeht, worauf zu achten sei und servierte uns drei Pinot Gris und anschließend drei Pinot Noir Proben. War interessant, welch unterschiedliche Noten drei ähnliche Weine einer einzigen Firma haben konnten! Der Herr erklärte und befragte uns auch nebenher. Lustig, mir hat der Wein aus Central Otago am wenigsten geschmeckt. Muss man ja Duncan nicht erzählen… ;-) Heiter fuhren wir weiter, bogen auf die Inland-Route des pazifisch-alpinen Dreiecks ab, da wir die Küstenlinie auf dem Weg nach Süden damals schon gewählt hatten. Die Strecke bis Culverden war uns auch schon bekannt. Hier hatte uns der Afrikaner auf unserem Hitchhike entlang kutschiert und für seine Gebetspause in Culverden gehalten. Und genau da gab es für uns jetzt eine Eis-Pause in der Mittagssonne. :-) Einige Kilometer hinter Culverden würde der letzte uns unbekannte Streckenabschnitt durch die Berge des pazifisch-alpinen Dreiecks folgen. Nach etwa 30km durch Weiden mit Blick über Farmen, hübsche, grüne Täler und Bäche bogen wir links ab, landeten wieder auf der Küstenroute und stellten empört fest, dass wir eine Abbiegung falsch gewählt hatten und genau am Beginn des für uns neuen Alpinteils auf eine Querverbindung zur Küstenstrecke aufgefahren waren! Wir hatten die letzten Bergblicke ausgelassen. Wir ärgerten uns, hatten beide nicht aufgepasst, drehten etwa drei Mal wieder um – hin und her… schwanken zwischen alles zurückfahren oder Küste weiter, verfuhren dadurch noch mindestens 20km umsonst und erreichten schließlich Kaikoura per altbekannter Küstenstrecke. Schade, aber auch die Blicke auf die Ostküste mit strahlend blauem Meer und schneebedeckten Bergen dahinter waren sehr schön. Letztes Mal gab es hier keinen Schnee, vor drei Monaten! In den Büros der Wale-aus-dem-Flugzeug-Beobachtungsanbieter informierten wir uns kurz vor Fünf über Preise und Ablauf. Statt 330$ bekamen wir einen Spezialpreis in Höhe von 247,50$ für zwei Personen… Hm, trotzdem viel Geld für 30min Flug und längst nicht auf jedem Flug wirklich Walsichtungen. Würden morgen entscheiden. Wetter grau, kalt, ungemütlich – rief nach Internet. Gegen Neun begaben wir uns eine Tür weiter in „The Strawberrytree“, die Kneipe, die wir auch letztes Mal schon besucht hatten. Haben der Live-Musik ein bisschen zugehört und gegen Elf unseren Schlafplatz direkt hinter der Hauptstraße an der Meer-Promenade aufgesucht.
Nach dem Erwachen die erste Überraschung: Unsere Blicke fielen statt auf prophezeite triste, graue Wolken auf strahlend blauen Himmel, türkis-blaues Meer mit weißen Wellenzügen und schneebedeckte Kaikoura Ranges! Zweite Überraschung noch vorm Frühstück: Eine Dame kam zu uns und drückte uns eine Tasche voller Lebensmittel in die Hand. Ihre Abreise stand bevor, also schenkte sie uns, die wir aussehen wir arme Reisende, drei Dosen Tomaten, unangebrochenen Balsamico-Essig, gutes Olivenöl, zwei Dosen italienische Kräuter und ein fast volles Gläschen Himbeermarmelade. Haben uns ganz dolle gefreut und den scheinbar mediterranes Essen bevorzugenden Leuten noch mal ordentlich zugehupt als diese den Parkplatz verließen! Netter Tagesbeginn. Als wir gegen Zehn mit Meerblick-Frühstück fertig waren, wussten wir noch immer nicht, ob Wale oder nicht… Wir riefen die Anbieter an, erfragten freie Zeiten und erfuhren, dass die Bedingungen für Walsichtungen heute nicht ideal waren und bisher auf den ersten Flügen keine Riesensäuger im Meer entdeckt werden konnten. Plötzlich entschieden wir uns für eine ganz anderes Vorgehen: Tanken, noch mal Richtung Süden und gleich wieder zurück – dieses Mal aber wirklich entlang der alpinen Strecke, die wir gestern verpasst hatten. Es wurmte uns schon, dass wir den Teil unbeabsichtigt ausgelassen hatten. Vielleicht danach noch Wale. Unser merkwürdiger Beschluss sollte sich als prima erweisen! Bei bestem Wetterchen fuhren wir durch saftige Weiden genau auf die Berge zu, deren Gipfel so schön frisch beschneit in den Himmel ragten. Dazu wieder die französische Gute-Laune-CD. An einer Kurve hielten wir über einem riesigen Flusstal. Es war Zeit einen Mitreisenden wieder auszusetzen: Wolfis Strandfund, unser Gnu-Kopf, der Joy zierte würde hier seinen neuen Platz finden. Er mochte die Berge, dachte Wolfi, und band ihn hoch über dem Tal mit Blick über das weite Umland an einen Baum. Hier fühlte er sich ganz sicher wohl! Konnte ja nicht für immer am Auto bleiben. In Christchurch hatte jeder zweite Passant sich danach umgedreht. :-) Wir nahmen die Fahrt wieder auf: durch Wälder, über Wiesen, bergauf und -ab, mit Halt im Flusstal zum Brombeer-Naschen (die wuchsen hier hangweise wild!), Obstauffüllen an einem Apfelbäumchen am Wegesrand. Die Berge kamen näher. Wir freuten uns, diese Strecke doch noch gemacht zu haben, bogen zum Umkehren am Mt. Lyford auf eine Bergstraße. 4km bis zu einem Picknickplatz waren angeschrieben. Den konnten wir uns jetzt auch noch schnell anschauen. Es ging höher und höher, die Aussichten immer weiter und faszinierender. Der Picknickplatz war klein und unbesucht. Blockhütte als Toilettenhäuschen, fließend Wasser, sehr sauber und ordentlich. Gab sogar eine Rutsche. Es gefiel uns total: umgeben von goldenen Berggräsern und eben dieser Traumaussicht bei klaren Sichtverhältnissen – bis in die flachen Weinregionen, auf das Meer und viele andere Berge konnte man schauen. Dieser spontane Ausflug wurde immer besser! Wir machten uns mit Angel und Badesachen auf einen 45min Walk zum Lake Crystal, erklommen mühsam einige Höhenmeter durch Steppe und Wald, landeten vor einem kleinen Tümpel. Mit Baden war hier nix und Angeln… naja, Wolfi hat sie zumindest mal ausgeworfen. Wäre aber verwunderlich gewesen, wenn dort überhaupt Fische lebten. Wir stiegen wieder hinab zum Parkplatz, waren statt frisch gebadet verschwitzter als zuvor und kamen auf die Idee, den Frischwasserhahn (eiskaltes Wasser, sicher direkt aus dem Bergfluss) zu einer Dusche umzufunktionieren. Mit Schlauch und Flaschen gelang das Duschen inklusive Haarewaschen doch ganz gut. Weit und breit keine Menschenseele. Tolle Umgebung. Wir blieben nun auch noch zum Kochen und hatten ein letztes Südinsel-Panorma-Dinner am Nachmittag – hoch über dem Rest der Welt, so kam es uns vor. Es gab Wurtsgulasch, nicht den originalen…, aber lecker! Wir stießen auf die Südinsel an, hatten eine unvergessliche Zeit hier und sind schon wehmütig darüber, sie am kommenden Tag verlassen zu müssen. Dieser Abschied hoch oben an einem wunderschönen Tag war gebührend! Wie gut, dass wir diese Strecke gestern verfehlt hatten und sie heute bei bestem Wetter und mit fast unendlich Zeit nachholen konnten! Auf dem Rückweg hielten wir noch einige Male für Fotos – abendliche Farben, eine aufsteigende Mondsichel, Kühe, Schafe, Berge und Weiden – und kraulten noch ein letztes Mal Gnu-Kopf, der sich an seinem neuen Platz bereits wunderbar eingelebt hatte. Im Dunkel erreichten wir Kaikoura. Aus den Walen wurde nichts und das störte uns gar nicht. Nach ein wenig Computer gingen wir noch einmal in „The Strawberrytree“, wo uns der Sänger von der Band des vorigen Abends wiedererkannte und sich ein wenig mit uns unterhielt. Gegen Zwölf landeten wir im Bett an der Meer-Promenade mit funkelnden Sternen über uns. Morgen würden wir zurück auf die Nordinsel fahren…
Am heutigen Sonnabend klingelte der Wecker Punkt Acht. Nach Frühstück am Meer unter grauem Himmel hielten wir vor Kaikouras Schmuckladen. Ich wollte noch ein Südinsel-Andenken und kaufte mir schnell eine neuseeländische Greenstone-Kette. Entlang der Küste fuhren wir gen Picton, kamen etwas spät, aber noch rechtzeitig am Bluebridge-Ferry-Terminal an. Gleich, um 12.30 Uhr legen wir ab, verlassen ein Stück Welt, das wir sehr lieb gewonnen haben und welches uns tausende unvergessliche Augenblicke geschenkt hat! Letzte Blicke schweifen über die wolkenverhangenen, grünen Marlborough Sounds-Inseln und den Picton Harbour, an dem unsere Südinsel-Reise vor vielen Wochen begonnen hatte.

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