Neun Tage Australien: durch Victoria mit Wombatz und Citylife in Melbourne mit Matt

Und der Flieger hob ab – draußen leichter Regen bei einsetzender Dämmerung. Wir fingen letzte Blicke von den sanften grünen, von Vulkanhügeln durchzogenen Wiesen und Feldern um Auckland ein… Ähnlich hatte es uns vor Monaten begrüßt. Durch lange, weiße Wolken flogen wir damals langsam herab und staunten ganz aufgeregt und übermüdet zugleich über diese weiten, grünen Flächen, die größer werdenden flachen Häuser in Aucklands Vororten, die vielen vorliegenden Inselchen im Meer, unter denen sich auch damals schon, aber uns eben noch unbekannt, Rangitoto befand… Wie konnten sich doch Gefühle bei demselben Anblick ändern, weil man nun Verbindungen zu all den Orten hatte! Wir kannten es jetzt – und verließen unser Neuseeland! Aufregung und Neues von damals wurden heute abgelöst von wehmütiger Verabschiedung und einem Unbegreifen… Ich sagte mir absichtlich, dass es nun für wohl lange, lange Zeit vorbei war mit dem Betrachten von Tui-Vögeln in rot blühenden Bäumen, mit dem Durchfahren von endlosen Schafsweiden, dem Begehen von paradiesischen, verlassenen Stränden, dem Besteigen von alpinen Höhen und Staunen über Gletscher und Urwälder… sagte mir das alles absichtlich, um zu realisieren, denn irgendwie war das so von ganz allein in diesem Moment nicht zu verstehen. Zugleich wussten wir schon, dass wir wiederkommen müssen und würden! Dieses Land, die Menschen und die Natur noch einmal besuchen! Neuseeland wird und nicht mehr loslassen. Wir hatten eine unglaubliche Zeit in und mit ihm. Irgendwann ließ ich mich von Wolfi überreden und startete Tetris im Zwei-Spieler-Modus, aber so recht Spaß machen wollte es nicht. Bald brachen wir wieder ab und grübelten so vor uns hin. Über den Gang und die drei Fensterplätze hinweg schaute ich durch das Flugzeugfensterchen in den Himmel. Wir flogen mit der Tag-Nacht-Grenze, die Dämmerung endete einfach nicht. Wir schauten Filme im Emirates-Entertainment-Programm, bestellten Wein und Bier, stießen auf das Vergangene an. Shrimps-Salat, Hühnchen und Schokotorte rollten heran, wurden gegessen, leere (noch immer unpraktisch, unförmige Emirates-) Teller wurden wieder abgeräumt, Tee, Kaffee folgten und draußen wollte die rose-blaue Tag-Nacht-Grenze nicht von unserer Seite weichen… Noch immer flogen wir mit der Dämmerung gen Westen, hielten mit den letzten Sonnenstrahlen mit, die sich ihren Weg von Neuseeland im Osten in Richtung Australien bahnten und vor der aus Ost herandrohenden Nacht flohen…

Nach knapp vier Stunden sanftem Flug setzten wir am Sonntag, 01. Mai 2011, um 19.20 Uhr Ortszeit (21.20 Uhr in NZ) in Melbourne/Victoria auf australischem Boden auf. Es war gerade dunkel geworden. Die Nacht hatte schließlich doch noch gesiegt. Hallo, Australien! Was würden wir hier in den kommenden Tagen erleben dürfen? Wollten unbedingt ein Känguruh, bunte Vögel und roten Boden sehen, wenn möglich auch einen Koala. Und natürlich Matt treffen, der uns Melbourne zeigt, vielleicht sogar Prinz Pascal… Mehr wussten wir nicht, machten uns nun aber zum ersten Mal echte Gedanken über uns in Australien. Denn jetzt war es so weit! Neuseeland lag wirklich hinter uns! Merkwürdig, dass hier noch ein kleines, neues Abenteuer auf uns wartete, wo doch der Neuseeland-Abschied noch immer nicht richtig realisierbar war. Es ging irgendwie gleich weiter, keine Zeit ein Gefühl des Vermissens zu entwickeln bei so viel neuer Aufregung… Ein echtes Känguruh sehen, vielleicht ganz bald! Na sowas und plötzlich so nah! J Der Flughafen in Melbourne wirkte auf den ersten Blick nicht anders als der Aucklands. Ebenfalls diese typischen Wasserspender überall, Toiletten mit denselben Handtrocknern… Gar nicht fremd! Wir sammelten unsere Gepäckstücke auf. Ging schnell, alles heil und nichts fehlte! Wieder zwei volle Gepäckwagen, an Tragen gar nicht zu denken. Auch unsere Fresstasche war noch dabei. Wir dachten schon, wir hätten es geschafft und sämtliche Lebensmittelreste heil mit eingeschmuggelt, in das so streng durch BioSecurity kontrollierte Australien. Hatten ja immerhin auf dem Erklärungszettel, den wir bereits im Flugzeug ausfüllen mussten, ehrlich angegeben, dass wir fast alle verbotenen bzw. erklärungsbedürftigen Dinge mit uns führten: frisches Obst, Eier, Holzprodukte, Wanderschuhe, Medikamente. Jedes Ja/Nein-Kästchen hatten wir bejaht: Chips, Körnerbrot, Dip und Marmelade, sechs Äpfel, zwei Bananen, ein hartgekochtes Ei, eine Gitarre mit Holzkorpus, Wanderschuhe, Notfallmedikamente teils ohne Originalverpackung… Alles hatten wir dabei – also: Ja! Scheinbar war das nicht normal, denn plötzlich hielt uns ein Mann, der die Erklärungskarten kurz anschaute, auf und fragte entsetzt, ob wir das wirklich alles dabei hätten. Wir bejahten wieder, worauf er sich noch immer verzweifelt aber freundlich für unsere Ehrlichkeit bedankte. He?! Lügen die anderen Passagiere etwa alle?! Hätten wir einfach verschweigen sollen, was wir dabei habenHäH? Schließlich wurde auf Plakaten in jedem Winkel des Flughafens hohe Geldstrafe angedroht, wenn man etwas nicht erklärte, was dann doch entdeckt wurde… Bereits die böse schauende, australische Kontrolleurin aus dem Flugzeug-Video zur Erläuterung der Erklärungskarten hatte uns mächtig Angst eingejagt und sofort zu 100% überzeugt, dass wir wirklich alles angeben mussten, was wir dabei hatten, sogar im Fall von Unsicherheit vorsichtshalber „Ja“ ankreuzen sollten! Genauso hatten wir’s eben gemacht! Dieser verzweifelt schauende Mann überlegte noch einmal kurz und schickte uns schließlich weiter in eine Schlange Wartender. Nett war er! Erst jetzt folgte also die echte BioSecurity-Kontrolle und wie es schien, würden wir hier doch nicht ganz so einfach hindurch kommen. Ich sah schon unsere Chips, den geöffneten Käsedip, das restliche Körnerbrot und die angefangene Marmelade in den Bio-Sondermüll fallen… Irgendwann winkte uns der Kontrolleur zu. Ich war richtig aufgeregt. Auch der war nun total nett, sah unsere Erklärungskarte, fragte zu jedem einzelnen „Ja“ was genau wir dabei hatten, lachte uns aus als wir die Gitarre beim Holz angaben und bat uns die Fresstasche komplett auszuräumen. Was nun folgte, überraschte uns sehr: Käsedip, Marmelade, Chips und sogar das Körnerbrot (allesamt angebrochen!) waren okay, aber die guten, extra noch vor Abflug gekauften und aufgesparten Äpfel, Bananen sowie das hartgekochte Ei durften keinesfalls mehr durch die nächste Türe! Oh, die guten Äpfelchen! Die Kontrolleure waren so nett und um das frische Obst, das in den Müll wandern sollte, tat es mir so leid, dass ich einfach fragte, ob wir wenigstens noch schnell ein paar Äpfel und Bananen essen durften. Unter Aufsicht wurde uns das sofort erlaubt. Also stellten wir uns, nachdem wir zwei Äpfel und die Bananen vorm Müll gerettet hatten, in Sichtweite der Kontrolleure an eine Säule und mampften das leckere, verbotene Obst in uns hinein. Letzte Grüße aus Neuseeland, welche verstaut in unseren Mägen dem australischen Land scheinbar nicht mehr schaden konnten. J Da wir unter den letzten Wartenden der Schlange waren, gesellten sich in unserer Esspause nun sogar die Kontrolleure zu uns. Sie wollten wissen, woher wir kamen, erkundeten begeistert, was wir in so langer Zeit in Neuseeland getan hatten, und was für eine Gitarre wir bei uns hatten. Wow, die waren auf den ersten Eindruck echt genauso nett wie die Neuseeländer und für diese merkwürdige Bio-Regel konnten diese freundlichen Herren Kontrolleure ja auch nix! Nachdem wir endlich in die öffentliche Flughafenhalle vorgedrungen waren, holten wir erste australische Geldscheine (man, waren die bunt im Vergleich zu den neuseeländischen) vom ANZ-ATM (sogar die ANZ-Banken gibt es in Aussi), packte ich so einige Info-Flyer über die Region und Melbourne ein und bestiegen wir nach kurzem Warten den im Voraus (für 25 AU$ (etwa 18,50€) p.P. ) gebuchten Starbus, der uns, nachdem er vier andere Passagiere vor Colleges, edlen Hotels oder Privatgebäuden abgesetzt hatte, direkt vor unserem gebuchten Hostel „Hotel Claremont“ im Stadtteil South Yarra absetzte. Auf der etwa 20km langen, einstündigen Fahrt über die großen Motorways und durch sämtliche Straßen Melbournes entdeckten wir den neuseeländischen 4Square- sehr ähnliche grün-rote 7-to-11-Dairy-Shops. Gebäude und Straßen sahen architektonisch ebenfalls nicht wirklich anders aus, auch gab es zum Teil die gleichen Geschäfte und Marken wie in Neuseeland. Mit Sack und Pack betraten wir das stilvolle Hostel, das durchaus eher Hotel war, und bezogen unser kleines Doppelzimmer mit Doppelstockbett im ersten Stock. Draußen regnete es und wir waren kaputt, schleppten uns trotzdem noch einmal in einen gegenüberliegenden Dairy-Shop, der auch teils die gleichen Produkte anbot wie die neuseeländischen Cornershops. Allerdings waren trotz unterschiedlicher Dollar-Währungen die Preise gleich, was bedeutete, dass umgerechnet die australischen Lebensmittel im Schnitt etwas teurer waren als neuseeländische. Merkwürdigerweise galt dies gerade nicht für Milchprodukte, für die man in Neuseeland mehr hinblättern muss, obwohl dort Kühe eigentlich zu genüge vorhanden waren. Hm. Gegen Zwölf fielen wir übermüdet (und deswegen auch nicht ganz ohne Streit) ins Bett. Was würde uns wohl morgen erwarten, wenn es mit dem Mietauto auf Erkundungstour ging? Die Flyer versprachen traumhafte Küsten, echte Känguruhs und paradiesische Vögel – die Great Ocean Road soll so toll sein, hatten wir mehrfach gehört. Auch sämtliche Australier, denen wir an diesem ersten Abend begegnet waren, waren einfach unglaublich hilfsbereit und freundlich. Dazu dieses bequeme Bett bei totaler Übermüdung. Ja, da konnte man sich auf den Schlaf und das Kommende wirklich richtig freuen! Hatte ja super begonnen, abgesehen von den vernichteten Äpfelchen. J Doch leider klappte das mit dem Schlaf in dieser Nacht irgendwie trotzdem so gar nicht gut. L

Nach einer Dusche und noch immer kaputt und müde ging es am Montag an das Frühstücksbuffet des Ho(s)tels, das unter anderem megaleckere Cornflakes, Obst, Saft, Kaffee, Tee und Brot bereithielt. Unsere Streitstimmung war noch nicht abgeebbt, sodass jeder in einem anderen Eckcken vor sich hin knusperte. Och man! Nachdem uns die Rezeptionistin überaus nett und hilfsbereit erklärt hatte wie wir zu unserer Vanverleih-Firma finden konnten und uns unser Gepäck in den Aufbewahrungsraum hatte stellen lassen, fuhren wir per Metro von South Yarra in den weit entfernten Stadtteil Braybrook. Man wähnte sich fast in London, sah man die Bahnstationen mit ihren „Mind the gap“-Schildern, den Multikulti-Menschenmix in der Bahn und an den Stationen, die Musiker vor den Rolltreppen oder in den U-Bahn-Gängen. Riesige Glashochhäuser zogen am Bahnfenster vorbei, eine geschäftige Melbourne City wurde durchquert, viel moderner und größer als jegliche Stadt, die wir in den letzten sieben Monaten in Neuseeland gesehen hatten. Im Tageslicht erkannte man nun doch starke Unterschiede! So etwas Großes gab es in Neuseeland nicht!!! Nach 30min erreichten wir die Station in Braybrook, staunten nur fünf Minuten später ungläubig über ein Schild, das hier so fehl am Platz wirkte wie nichts anderes seit Langem: Aldi! Ein echt deutscher Aldi-Süd-Markt direkt vor unserer Camperfirma, in den wir sofort ungläubig hineinspazierten. Neben dem Werbeprospekt sah sogar der Marktaufbau an sich genau wie der deutsche aus: gleiche Größe und Anordnung des Marktes, die gleichen Bodenfliesen und sogar die gleichen Angebotsgitterkörbe. Ja, auch typische Aldi-Produkte wie beispielsweise die Moser-Roth-Schokolade gab es hier! Wie krass! Eine halbe Welt weit weg in einem allzu deutsch anmutenden Aldi! Sowas gibt es in Australien! Noch ein Staunen kam auf mein Gesicht etwa 15min später als im Vanverleih drei Franzosen auftauchten, die ich ganz sicher bereits in Motueka und Nelson auf der neuseeländischen Südinsel gesehen hatte. Ich sprach sie, die sich zwar ebenso wie Wolfi nicht mehr daran erinnern konnten, darauf an und auch sie waren überrascht. Klein ist die Welt. Schnell bekamen wir unseren Mietvan ausgehändigt. Es war wieder der gleiche Backpacker Breezer, den wir an unseren letzten Tagen um Auckland schon hatten. Einziger Unterschied: Dieses Mal bloß eine Zweisitzerbank vorn. Reichte auch, denn eine Katja-Kerstin hatten wir hier in Aussi ja nicht einzuladen. Natürlich stockten wir unsere Überlebensvorräte im Aldi für 33$ gleich noch auf. Auch in Aussi ließ es sich im Aldi günstig einkaufen! Ohne richtigen Stadtplan (furchtbar!) irrten wir über Melbournes viele Motorways (Vorsicht, denn manche sind gebührenpflichtig) und Straßen, fanden irgendwann tatsächlich in dieser riesigen Stadt unser Hostel wieder, luden das Gepäck ein und brachen gegen 15.00 Uhr auf. Raus aus der Metropole, auf Erkundungstour in die Wildnis bzw. vorerst an die Südostküste Victorias entlang der Great Ocean Road. Über eine riesige, neue, achtspurige Motorway-Brücke verließen wir Melbourne, dessen beeindruckende Stadtsilhouette immer kleiner wurde. Vorfreudig strahlten wir durch die Seitenfenster den Autofahrern um uns herum zu, die allesamt glatt zurückwinkten. Man, waren die alle freundlich und locker! Juhu, wir waren unterwegs – in Australien, einem fremden Kontinent! Straßen so breit, wie wir sie nie zuvor gesehen hatten, mit einer Geschwindigkeit von 120km/h aufm Tacho, die wir in Neuseeland wahrscheinlich nicht ein einziges Mal drauf hatten, und mit unendlich weiten, rotbraunen, kargen Ebenen um uns herum, soweit das Auge blicken konnte. Keine Spur von schlängeligen, schmalen Sträßchen durch steile Berge und dichte Urwälder – wirklich ganz anders als Neuseeland. Einfach nur lang, gerade, weit. Überall vermuteten wir Känguruhs (waren aber bloß einzelne Schäfchen). Bald erreichten wir Geelong an der Corio Bay, ein schickes, sauberes Städtchen 75km entfernt von Melbourne und Tor zur Bellarine Halbinsel. Hier hielten wir vorm Pier am Meer, das ich in der schönen Nachmittagssonne bewanderte. Noch immer war Melbournes Silhouette hinter vielen Kilometern Meer zu erblicken. Ich schlenderte über die gepflegte Promenade, vorbei an einem historischen Karussell in einem Glashaus und vorbei an hübschen, bunten Holzfiguren und Riesenbojen. So ordentlich und grün war es hier, direkt am Meer, hatte so gar nix von dem Bild, das man von Australien normalerweise im Kopf hat. Wir fuhren ein kleines Stück weiter auf die Bellarine Peninsula in Richtung Portalington. Die Sonne näherte sich dem Horizont bei klarem Himmel, also schauten wir nach einem Weg ans Meer und wurden schnell fündig: relativ abgelegener Parkplatz am Wasser! Wir beobachteten einen herrlichen Sonnenuntergang. Die orange-rote Sonne tauchte hinter einem Steg der Meeresbucht direkt in das australische, flache Land ab. Es war so ruhig, Möwen saßen auf Holzpfählen, ein Frachter zog still übers Wasser durch die Farben der Dämmerung. Wir machten Abendbrot am Auto, begaben uns, da auf dem Parkplatz Campen verboten war, doch noch einmal auf die Suche nach einem legalen Übernachtungsplatz, landeten aber schließlich wieder dort und gingen das Wagnis einer unerlaubten Übernachtung einfach ein. Wir gerieten noch einmal bissl derb aneinander, besannen uns etwas später aber eines Besseren… Ich verletzte mir noch ordentlich meinen linken Daumen – richtig laut geknackt hat’s. Daraufhin schmerzte der nicht bloß, sondern schwoll auch ziemlich an. Wir legten zusammen einen Verband an, spielten auch mit dem Gedanken ein Krankenhaus aufzusuchen. Aber naja… Schmerztablette half fürs Erste. Schließlich blickten wir beide im Bett liegend in Schlafsäcke und Emirates-Decken gehüllt bei offener Türe auf viele tausende, wunderschön leuchtende Sterne am klaren, kalten Nachthimmel und auf Melbourne, das in weiter Ferne hinter der Meerbucht funkelte. Unsere erste Nacht in der Freiheit Australiens!

Niemand vertrieb uns vom Platz und am Dienstagmorgen gegen Acht gab es ein Frühstück im Auto mit Meerblick durch die offene Seitentür. Wir fuhren nach Portalington, einem kleinen Örtchen der Halbinsel, schlenderten durch die wenigen Lädchen entlang der Hauptstraße und fuhren weiter über total gerade Straßen. Es wurde plötzlich grau, begann zu regnen. Direkt vor uns strahlte über der Straße ein prächtiger Regenbogen. Rings um uns befanden sich überall Eukalyptusbäume auf dem rötlichen, weiten, flachen Land. In Queenscliff befuhren wir einen stürmisch kalten Lookout, von dem aus wir über das Meer mit der darin wütenden, schwarzen Rip-Strömung blickten. Im Hafen des Ortes hielten wir vom Steg Ausschau nach riesigen, heimischen Stachelrochen, entdeckten aber bloß einen bunten Mini-Tintenfisch, einige Kugelfische und Boote. Auch in Queenscliff streiften wir noch durch ein paar Läden bis wir schließlich das Verlangen hatten weiterzufahren um endlich echten, australischen Busch und wilde Tiere zu erleben. Nur wenige Kilometer weiter der nächste Stopp. Ein Naturreservoir am Wegesrand. Wir fuhren hinein in das umzäunte Reservoir, parkten den Van auf einem verlassenen Parkplatz mitten im Busch und entschieden uns für einen 1h-Walk als erste australische Wanderung! Aufgeregt machten wir uns auf den Weg. Zwischen vielen Eukalyptusbäumen ging es entlang schmaler Pfade durch Wiesengräser, Gehölz und Büsche, die manches Mal irgendwie richtig verbrannt aussahen. Alles wirkte karger und trockener als jegliche Landschaft Neuseelands. Tolle Schmetterlinge umflatterten uns, aber auch flinke Fantail-Vögelchen gab es hier. Nach 20min befand Wolfi, dass sich die Vegetation nicht mehr änderte und kehrte um. Ich lief allein weiter, versuchte nicht zu oft daran zu denken, dass es in Australien die giftigsten Tiere der Welt gab, und bald kreuzten herrlich blühende Eukalyptusbäume und ein kleiner, dunkler See meinen Weg. Ich zog vorbei an Ameisenhügeln, Echsen und vielen weiteren Eukalyptusbäumen, deren Rinden sich zum Teil so sehr abschälten, dass sie wie Zotteln lustig vom Baum herabhingen. Größere Tiere gab es nicht, aber war ja auch keine freie Wildnis. Schon kam ich wieder am Parkplatz an, wo Wolfi Gitarre spielend im Auto wartete. Mit Verlangen nach Eis und einem Pie fuhren wir durch Ocean Grove und Barwon Heads. Nirgends fand sich Kugeleis wie wir es in Neuseeland immer in den Dairy-Shops gekauft hatten. Dafür fand ich in einem Secondhand-Buchladen genau den fehlenden Teil I der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson, nach dem ich schon so lange Ausschau gehalten hatte. In Torquay, der Stadt, in der wir uns von der Bellarine Halbinsel verabschiedeten und in welcher offiziell die Great Ocean Road begann, ließ sich ebenfalls weder Eis noch ein Pie auftreiben. Wir waren plötzlich genervt von den hier an der Küste aneinander gereihten, gleich aussehenden Städtchen, unserem sinnlosen Umherirren mit Appetit auf nicht auffindbare Leckereien und weil es auch noch immer nicht wirklich so aussah wie wir uns Australien eben vorgestellt hatten. Mit Blick auf ein paar Surfer am angeblich weltberühmten, aber uns in dem Moment nicht wirklich beeindruckenden, Bells Beach aßen wir lustlos ein paar Cookies und Äpfel, fuhren dann weiter auf der Great Ocean Road nach Anglesea. Hier gab es endlich Eis – zwar teuer und nicht aus einem Dairy-Shop, aber uns mittlerweile egal und wirklich enorm lecker! So, die Tiere noch: Wir fragten einen Trödelladenbesitzer nach den nahe gelegensten Känguruhs. Dieser schickte uns direkt auf den Golfplatz von Anglesea, wo wir tatsächlich sofort begeistert unsere ersten, australischen Känguruhs entdecken konnten. Zwar hatten diese Namensbändchen um und Clips in den Ohren, aber es waren echte, australische Känguruhs, die ganz ohne Umzäunung auf diesem Golfplatz lebten! Wir schlichen uns ganz langsam ganz nah an ein Känguruh namens Mary heran. Oh, wie es da saß und guckte! J Bisschen wie eine Mischung aus Hase und Reh, ganz rechtwinklig gestellte Beine, ein mächtiger Schwanz und grau-braunes Fell! Lange standen wir neben Mary, weiter hinten noch andere Känguruhs. Der gesamte Golfplatz war übersät von ihnen. Unsere Laune war durch das Treffen des australischen Nationaltiers nach leckerem Eis nun merklich gehoben. Wir setzten die Fahrt fort. Schöner, feiner, roter Sandstrand, herrlich türkisblaues Meer und gelb-rote Felsen luden zu einem Halt am Wasser ein. Die Küstenlinie sah bis auf die intensiveren Farben doch der neuseeländischen Küste sehr ähnlich. Am Split Point besuchten wir noch einen Leuchtturm, von dessen Sockel man herrlich über die benachbarten Klippen und das Meer sowie das Hinterland mit dichtem Busch schauen konnte, über dem die untergehende Sonne goldene Strahlen aussandte. Interessante Vögel stocherten in den Blüten der Eukalyptusbäume nach Nektar und die Dämmerung setzte ein. Wir hatten Hunger, keinen Bock auf hastiges Essen im kalten Dunkel, also entschlossen wir uns für bequemes Essengehen in Lorne, das wir nach einer Fahrt durch dichten, nach Eukalyptusbonbon duftenden Eukalyptuswald erreichten. Lorne war eine sehr neue, touristisch erschlossene Kleinstadt mit edlen Restaurants und Unterkünften am Meer. In einem imbissartigen Restaurant bestellten wir Salami-Pizza und einen Chicken-Wrap, welche wir vor Ort im Warmen sitzend mit Blick auf die Straße, unseren Van und das Meer aßen. Wir schauten auf die Reisekarte und stellten leicht erstaunt fest, dass wir schneller reisen mussten als wir es bisher taten um binnen der fünf Tage mit dem Mietauto die Runde entlang der Great Ocean Road, landeinwärts durch den Grampians Nationalpark und von dort zurück nach Melbourne zu schaffen! Hups, morgen mussten wir ordentlich durchziehen! Gott, war das hier alles groß und weit. Von der Great Ocean Road reichte es uns eigentlich auch schon, denn so schön sie auch sein mag, war sie nicht wirklich sehr, sehr anders als so manche Küste Neuseelands. Die Grampians würden sicherlich viel Australien-typischer sein. Nach etwas Gitarre und Schreiben im Auto machten wir uns in einer öffentlichen Toilette schlaffertig und fuhren aus Lorne heraus, bergauf durch Eukalyptuswalddickicht, wo einige Kilometer entfernt die Erskine Falls liegen sollten, die wir am kommenden Morgen anschauen wollten. Auf diesem einsamen Weg hüpfte tatsächlich noch ein ganz wildes Känguruh ohne Ohrclips und Namensband durch den Straßengraben. Oh, fein!!! J Hier bekam auch unser australischer Backpacker-Van seinen Namen: „Wombatz“, denn es war ein etwas trägeres Klöpschen als die neuseeländische Katjuscha und da passte dieser australisch angehauchte Name besser als der erst angedachte Name „Katjuscha II“. Direkt an der Abbiegung zu den Erskine Falls stellten wir uns mit Wombatz auf eine kleine Lichtung inmitten des Eukalyptuswaldes. Eisekalt war die Luft, stockdunkel der Waldplatz und schaurige Urwaldgeräusche drangen durch das Dickicht. Mitten im Nirgendwo zwischen den wilden Tieren, giftigen Schlangen und Spinnen Australiens schliefen wir gottverlassen in einem dichten, dunklen, bitterkalten Eukalyptusurwald. Es war wirklich kalt! Nicht schön, wenn der Schlafsack zu kurz ist, man trotz vieler zusätzlicher Tücher, Handschuhe, Wollmütze und Socken noch immer so friert, dass man immer wieder wach wird, weil bei jeder Bewegung und Drehung irgendein Tuch wegrutscht und eine Körperstelle im Nu auskühlt… Nein, das sind keine allzu schönen Nächte…

Am Mittwoch erwachten wir gegen Neun. Von der Nacht ordentlich durchgefroren verbrachten wir unser Frühstück in einer herrlichen, morgendlichen Frische. :-/ Gerade als ich mich zu Fuß in Richtung der Erskine Falls machen wollte (Wolfi folgte mit Wombatz kurz darauf), parkte ein Van neben uns. Wir lernten Johanna kennen. Eine deutsche, sehr redefreudige Backpackerin, die schon seit vielen Monaten allein durch Australien reiste. Sie schaute sich mit uns den Wasserfall an, welcher sich hätte ebenso irgendwo mitten in Neuseeland befinden können, abgesehen von den Schlangen-Warnschildern zu Beginn des kleinen Walks. Der Wasserfall war nett, aber nicht allzu spektakulär. Doch Johanna meinte, dass die hiesige Umgebung nicht gerade typisch für Australien sei. Solche Farne, wie sie hier im Wald um den Wasserfall herum wuchsen und in Neuseeland überall zu finden waren, hatte sie bisher in Australien noch nie gesehen. Na lustig, da hatten wir uns in Australien scheinbar genau das Fleckchen für einen Kurzbesuch ausgesucht, das noch am ehesten mit Neuseeland vergleichbar war?! Der Eukalyptuswald hingegen war schon sehr beeindruckend. Leider kein Koalabär weit und breit. Die seien mittlerweile eher selten in den erschlosseneren Gebieten anzutreffen, meinte Johanna. Sie gab uns noch einige Tipps bezüglich unserer Weiterreise und uns wurde wieder bewusst, dass wir bisher (ich nehm es gern auf meine Kappe) zu lahm unterwegs waren. Außerdem bot sie uns als Dank für den Transport zurück zu ihrem Van eine Kostprobe der leckeren, australischen TimTam-Cookies an. Wir verabschiedeten uns von ihr, kauften noch schnell in Lorne ein und setzten die Fahrt entlang der Great Ocean Road zügig fort. Hatten binnen zwei Tagen gerade einmal 250km zurückgelegt… Insgesamt hatten wir bloß fünf Tage und es würden bestimmt um die 1000km werden! Das hätte beim Fortsetzen unseres bisherigen Tempos glatt acht Tage bedeutet! Schneller 20sec-Fotostopp neben einer Japaner-Gruppe an einem Great Ocean Road Lookout und eilig weiter im Wechsel von Sonne, Wolken und Schauern. Entlang der Küste, wieder einmal durch dichten, feuchten, duftenden Eukalyptuswald, aber auch mal über grünes Weideland mit Schafen und Kühen wie in Neuseeland, und dann zurück an die Küste. Kurzer Halt im Hafen der Apollo Bay und weiter zu den angepriesenen Twelve Apostels der Great Ocean Road, für die wir zwei Mal stoppten. Am ersten, eher weniger überlaufenen Parkplatz konnte man entlang Felsstufen durch die roten Felswände hinab an den rot-orangen Sandstrand gehen, dessen Farbe einen unglaublich beeindruckenden Kontrast zu dem stechend grünblauen Meer bot. Schöne, orangene Kalksteinfelsen ragten hier bis zu 60m hoch aus dem Meer. Wirklich schön! Wolfi schaute bloß von oben und als auch ich bald zurück am Parkplatz war, fuhren wir nur wenige Kilometer weiter bis an den offiziellen Twelve Apostel Lookout, der uns nun mal so gar nicht recht gefallen wollte: Riesenparkplatz, kommerzielles Twelve Apostels Visitor Centre mit Hubschrauberundflugangeboten und Vielem mehr, was Geld kostete, und natürlich zig Busse voller eilig durchhetzender und dauerfotografierender, asiatischer Touristen, die auch gleich noch allen Schnickschnack kauften, der hier so feil geboten wurde. Laut Wikipedia sind die Twelve Apostels nach dem Ayers Rock tatsächlich die meistfotografierte Touristenattraktion Australiens! Hm, ob vielleicht gerade das diesen aus dem Meer aufragenden, roten, im Prinzip hübsch anzusehenden Felsen ein wenig der Schönheit nimmt?! Zumindest führten der Regen und die Menschenmassen auf dem künstlichen Lookout-Walk dazu, dass wir uns ziemlich schnell wieder in unserem dicken Wombatz on the Road befanden. Lange fuhren wir und erreichten 210km entfernt von Lorne am Nachmittag Warnambool, wo wir einen einsamen Aussichtspunkt über dem Meer fanden, von dem aus man von April bis Oktober angeblich des Öfteren Southern Whales beobachten konnte, die sogar mal bis auf 100m herankamen. Wir schauten mindestens 30min im kalten Wind auf das Meer, täuschten als zwei andere Beobachter vorbeikamen aus Spaß eine freudige Sichtung an, zogen aber irgendwann doch erfolglos von dannen. Schade, letzte Chance auf Wale, aber die lieben Meeressäuger spielten nicht mit. Auf einem benachbarten Parkplatz brieten wir uns Hühnchen, absolvierten nicht ganz stressfrei ein eiliges Abwaschen in kalter, windiger, vernieselter Dämmeung auf der öffentlichen Toilette und irrten auf der Suche nach einem Aquatic Centre durch Warnambool. Wir fanden eines und bekamen für 5,30$ p.P. nach mehrtägiger Kälte ein Bad. Doch selbst nach über einer Stunde im wärmsten Becken, war zumindest ich noch immer nicht ganz aufgetaut, aber sauber, wenigstens sehr sauber! Wir packten uns gleich in mehrlagige Schlafsachen, füllten Wasserflaschen auf, fuhren noch einmal für Internet in einen McDonalds, wo wir Matt Genaueres zum Treffen in Melbourne mailten, denn mit Telefonieren per Handy haute es trotz verschiedener Telefonkarten hier in Australien alles irgendwie so gar nicht hin, und uns um ein Muttertagsgeschenk aus der Ferne kümmerten. Unseren Schlafplatz fanden wir im tiefen Dunkel der Nacht irgendwo etwas abseits der Hauptstraße am Straßenrand nach 23.00 Uhr. Hua, kalt. L Da zählt man schon die letzten Autonächte mit leichter Vorfreude auf ein Bett und richtige Decken…

Am Morgen des Donnerstags entdeckten wir die Schönheit unseres blind auserwählten Nächtigungsplatzes auf dem Tower Hill Lookout. Ein super Ausblick bot sich nun direkt aus der Seitentüre über Felswände, Sumpfgebiet, den Tower Hill in der Mitte und die Küste etwas weiter entfernt. Nach dem Frühstück ging es gegen halb Elf weiter. Heute waren die Grampians das Ziel, doch erst fuhren wir kurz der Abbiegung zum Tower Hill nach. Die erwies sich als äußerst lohnenswert als ganz plötzlich und unerwartet zwei riesige Laufvögel mitten vor Wombatz das kleine Sträßchen überqueren wollten. Begeistert stiegen wir aus, Fotoapparat in vollem Betrieb, und schlichen diesen riesigen, anmutigen Vögeln mit ihren langen Beinen nach. Ihr dickes grau-schwarzes Gefiederkleid lag so üppig auf dem Körper, dass es beinahe einem fetten Schildkrötenpanzer glich. Die konnten unmöglich fliegen! Ob das Emus waren? Die gab es doch hier irgendwo bestimmt? Aber sahen die so aus? Wahnsinn, an einem Hang entdeckten wir noch zwei weitere dieser merkwürdigen Riesenvögel. Nachdem wir lange zugeschaut hatten, fuhren wir weiter, stimmten überein, dass das bisher einer der tollsten Australien-Momente gewesen war! Auch der Sumpf, an dem wir nun direkt vorbei fuhren, war gut anzusehen. Da versteckten sich doch bestimmt ein oder zwei Krokodilchen? Nur ein kleines Stückchen weiter entlang des Highways stießen wir bei Killaney auf einen interessanten Antique-Music-Store. Oh, hätten wir nur noch mehr Freigepäck haben können. J Für einige kleine Gitarrenspiel-Zubehöre hat es trotzdem gereicht. Kurz darauf bogen wir von der Great Ocean Road ab in Richtung Landesinneres. Nach Norden ging es zu den Grampians. Kurze Rast in Penshurst, nächster Stopp in Dunkeld, wo sich endlich mal unserem geliebten neuseeländischen TipTop-Eis vergleichbares australisches Peters-Eis in einem Dairy-Shop finden ließ, das wir genüsslich bei herbstlicher Kälte trotz schöner Mittagssonne unter gelb und rot verfärbten Laubbäumen am Straßenrand in Dunkeld wegschleckten. In der kleinen Information des Ortes wollte ich noch kurz eine Broschüre über die Grampians holen und erfuhr glatt von der darin arbeitenden Frau, dass die Hauptroute in die Grampians gesperrt war, weil starke Überflutungen und Erdrutsche vor einigen Wochen die Straßen an 17 Stellen vollkommen zerstört hatten. Es gab ein ganzes Fotoalbum mit Bildern der Zerstörung. Auch waren viele typische Wander- und Aussichtspunkte gesperrt. Für uns hatte das nun zu Folge, dass wir in einem größeren Umweg von außen um die Grampians nach Halls Gap fahren mussten und dann auch in den Grampians nochmal genau erkunden mussten, welche Unternehmungen überhaupt möglich waren. Wir waren etwas enttäuscht und brachen auf. Die Ausweichroute führte uns östlich um die Grampians über kleinere Orte und landwirtschaftliche Ebenen. Endlose, flache, rotbraune Flächen lagen zu beiden Seiten der nun schmaleren Straßen. Eigentlich brachte diese ungeplante Strecke uns nun genau durch die Landschaften, die wir von Australien erwartet hatten. Der Weg gefiel uns sehr gut! Einzelne Eukalyptusbäume standen auf den weiten, trockenen Feldern, ab und an sahen wir sogar großflächig Rauch von irgendwelchen Feuern auf Feldern aufsteigen. Nach 1,5h erreichten wir am Nachmittag Halls Gap, das Tor zum Grampians Nationalpark. Wir stapften zuerst in die Information um Erkundungen einzuholen, was wir in den kommenden zwei Tagen anschauen und machen konnten. Nach wenigen Minuten waren wir ausreichend informiert und machten uns noch sogleich auf den Weg zu einem 2h-Walk auf einen Berg über Halls Gap mit hoher Wildlife-Sichtungswahrscheinlichkeit. Als wir kurz am Park von Halls Gap hielten, trauten wir unseren Augen kaum. Da befanden sich neben einem Eis-essenden Ehepaar auf einer Bank etliche, riesige, weiße Kakadus mit gelben Kämmen. Ganz verblüfft entschuldigte ich mich bei der Frau und erklärte, ich müsste das jetzt auf einem Foto festhalten: Diese Vögel pickten frech an ihrem Eis herum, saßen auf ihren Schultern und sogar auf ihrem Kopf! Nachdem es den Leuten mit den Vögeln doch zu bunt wurde und sie den Platz verließen, gesellten wir uns einige Zeit zu den Kakadus, die von Nahem noch viel, viel größer aussahen! Wow, solche Vögel!!! Echte Kakadus! Das gefiel uns! Die Grampians waren besser als die Great Ocean Road, eher Australien nach unserer Vorstellung! Wir parkten am Sportplatz des kleinen Ortes und begaben uns auf Wanderung, wo uns nach den ersten fünf Minütchen bereits ein Känguruh über den Weg hüpfte. Aus den hohen Eukalyptusbäumen drangen interessanteste Vogelgeräusche: Kichern, Kreischen und ein Knarren als würde jemand verrostete Tore schließen. Ab und an flogen rote, blaue und grüne Rosellas, Vertreter der australischen Papageienart Plattschweifsittiche, zwischen den Zweigen hin und her. Wir waren beeindruckt, liefen bergauf, vorüber an interessant blühenden Pflanzen, unendlichen Eukalyptus- und Gummibäumen und klitzekleinen Vögelchen. Als wir nach 1,8km stetigem Bergauf eine große Felsplattform erreichten, boten sich erstmals weite Blicke über Halls Gap, die Grampians und das flache Umland. Hui, Autsralien lag zu unseren Füßen. Es wurde langsam frischer, die Nachmittagssonne sank gen Horizont. Ich wollte auch noch den letzten Kilometer bis auf den Peak laufen, Wolfi nicht. Also setzte er sich auf die Felsen und ich stapfte weiter. Der Weg wurde eher zu einem Kletterparcours. Die letzten 400m über Riesenflesen und –steine entlang des Gipfelzuges mit tiefen Abgründen rechts und links waren nur noch unter ziemlicher Kraftaufwendung, Sprüngen und Kraxeln möglich. Aber dann hatte ich es geschafft, blickte von noch weiter oben über die Umgebung, wobei hinter mir noch viel mehr Felsen und Berge aufragten, die von der unteren Plattform aus gar nicht zu sehen waren. Ui, war das hoch, als stände man über der ganzen Welt! Ich kehrte bald zurück zu Wolfi, der tatsächlich trotz leichter Kälte auf den Felsen im T-Shirt gewartet hatte, und dort bis zu meiner Wiederkehr mit Angeln beschäftigt war. Ihm war eines seiner neuen Fingerplektren einige Meter tiefer gefallen und auf einem anderen Felsvorsprung gelandet. Mit einem langen Zweig hat er die ganze Zeit versucht es wiederzubekommen. Zum Glück war er nicht hinterher gestürzt! Naja, hat wohl lange gedauert, aber doch noch geklappt und zwar genau in dem Moment als ich zurückkehrte. Ich hörte noch den Hurra-Schrei! J Wir liefen durchgekühlt zurück zu Wombatz, kochten am Rande des Sportplatzes erst leckeren Lakrit-Tee zum Aufwärmen, dann Nudeln mit Butterchickensoße und machten es uns mit dem heißen Essen im Van bei den mittlerweile wieder ziemlich kalten Temperaturen draußen gemütlich. Das tat gut! Anschließend begaben wir uns in der Dunkelheit wieder mal auf Telefonsuche, doch weder mit der öffentlichen Telefonzelle noch per Handy kamen wir durch. Seit wir das Hostel verlassen hatten gab es keinen Kontakt nach Hause, hoffentlich sorgte sich niemand! Wir schauten kurz mal in ein warmes Restaurant des kleinen Ortes, suchten anschließend einen Schlafplatz, den wir kurz außerhalb Halls Gap am Rand einer kleinen Waldstraße fanden. Nach dieser Nacht nur noch einmal im Auto schlafen (oder eher erfrieren), dann würden wir echte Betten in einem richtigen Haus bei Matt in Melbourne haben! Es war wahrscheinlich nachts nur um die 3 bis 7°C (gefühlte Minusgrade). Und diese Nacht war besonders kalt! Ich dachte wirklich, ich wäre beinah erforen trotz drei Hosen, sechs Oberteilen (inkl. Thermo-Unterwäsche, Pullover und Fleecejacke), zwei Schals, zwei Paar Socken, Mütze, Handschuhe, Emiratesdecke und Schlafsack. Immer wieder aufgewacht, gefroren, versucht noch mehr einzumummeln… Gar nicht schön.

Am Morgen des Freitags waren wir so durchgekühlt, dass wir uns zum Auftauen während des Frühstücks den Kocher im Van aufstellten und damit heizten. Gute Idee, uns wurde warm wie lange nicht!!! Anschließend zogen wir los, Grampians erkunden oder zumindest das anschauen, was nach den Überflutungen noch begeh- und befahrbar war. Über herrlich rote, lange unbefestigte Sträßchen fuhren wir mitten durch australischen Busch. Mal waren Teile des Busches verbrannt in schwarz-roten Tönen, mal etwas grüner, wo Gummi- und Eukalyptusbäume prächtig wuchsen. Tolle Farben! Magpies, Kakakdus, Känguruhs, bunte Rosellas und sogar weitere Emus sahen wir direkt aus dem Seitenfenster, hielten mal neben einem irre großen, roten Ameisenhügel oder an einer Brücke über einem Flüsschen, das vor wenigen Wochen scheinbar so reißend gewesen sein musste, dass sämtliche Wege sowie die zerstörte Brücke nicht mehr begehbar waren. Die MacKenzie Falls waren unser erstes Ziel. Vom Parkplatz wanderten wir bei wieder bzw. weiterhin kühlen Temperaturen (Mütze und Handschuhe empfand ich durchaus als angenehm) 2km entlang eines Touristenpfades zum oberen Falls Lookout. Der untere Lookout Punkt (anstrengende, hunderte Stufen auf und ab) war nach den Flutungen nicht mehr zugänglich. Nächster Halt war der Lake Wartook Stausee, auf dessen Damm wir in der Sonne entlang spazierten. Zuletzt stand „Reed Lookout and The Balconies“ an. Vom Reed-Aussichtspunkt direkt am Parkplatz hatte man von oben eine atemberaubend weite Sicht über die Grampians mit ihren Eukalyptusregenwäldern und interessanten Gesteinsformationen. Wahnsinn! Wir liefen die 2km bis zu den „The Balconies“ auch noch, kamen vorbei an tollen Felsen, die wie Tellerplatten in die Lüfte ragten. Wolfi fand Spaß daran, fast jeden dickeren Stein am Wegesrand umzudrehen und mir zu befehlen, ich solle darunter nach einer Schlange schauen… Irgendwo mussten die doch sein, so war das im Fernsehen immer, meinte er! Haben zum Glück keine gefunden. Als wir die Balconies erreichten, die neben einem weiteren abgezäunten Lookout, auch riesige, freie Felsvorsprünge boten, wagte ich nachdem die anderen zwei Wanderer weg waren, die Besteigung. Bloß einmal! Ganz vorn auf der letzten Steinnase stand ich mutig hunderte Meter hoch über den klitzekleinen, aber weiten Wäldern und Felsen der Grampians mit sicherlich tausenden Tieren, etlichen Flüssen und Seen. Hui, war das ein Gefühl! Irgendetwas zwischen „So krass“ und „Oh Gott, wenn…“ Bloß einen Schritt weiter, weiche Beine oder ein kurzer Schwindel… Ne, daran sollte man in solch einem Moment besser nicht denken! Ebensowenig förderlich das Rätseln darüber, ob der Stein nach tausenden Jahren vielleicht doch gerade heute abbrechen möchte… Noch einmal würde ich so etwas wahrscheinlich nicht tun. Manche Dinge genügen einmal im Leben. J Auch Wolfi betrachtete sich diesen einmaligen Vorsprung noch etwas genauer und schließlich wanderten wir zusammen unversehrt wieder zurück zum wartenden Wombatz. Auf der Rückfahrt über die schönen, roten Waldstraßen sprang uns als Grampians-Abschiedsgruß tatsächlich beinahe noch ein Känguruh vor die Motorhaube, nur zwei Minuten später versuchte ein Emu selbiges. Allesamt kamen wir noch einmal mit Schrecken davon. Australien! Zuhause wären so etwas des Nachts mit Füchsen oder Rehen passiert… :-D Nachdem wir wieder einige Kilometer auf breitem, weitem, geradem Highway in Richtung Osten und Melbourne zurückgelegt hatten, erreichten wir Stawell. Auf einem Parkplatz hielten wir inmitten eines kleinen Eukalyptusbaum-Parks mit See und hunderten Papageien-Vögeln in den verschiedensten Farben. Beim Öffnen der Autotüre schlugen uns Vogellaute entgegen, wie wir es noch nie gehört hatten. Toll! Überall waren die blauen, roten und leuchtgrünen Rosellas in den Zweigen versteckt. Mal fiel hier eine abgeknabberte Blüte zu Boden oder dort ein zerpflücktes Blatt. Es nagte, schrie, lachte, gackerte, knarrte und raschelte rings um uns herum! Leider war es trotzdem sehr schwierig, diese lieben, nicht allzu fotogenen Tierchen mal vor die Kamera zu bekommen! Im McDonalds des Highway-Ortes konnten wir endlich per Internet mal wieder Kontakt zu dem Rest der Welt herstellen. Hier kam ich auch auf die Idee, meine deutsche und mittlerweile wieder freigeschaltete Vodafone-SIM-Karte einzusetzen, sperrte dabei glatt erstmal Wolfis. :-/ Nun waren wir auch wieder erreichbar auf deutscher Nummer und prompt flatterte die erste SMS herein. Wolfi erwarb in einem JayCar-Geschäft einen neuen, kleinen Freund, beschäftigte sich glücklich wie ein Kleinkind die nächsten eineinhalb Stunden ausschließlich damit. Und so kam ich seit Langem mal wieder an den Laptop. J Bis 19.00 Uhr verbrachten wir so. Die Mägen knurrten und wir begaben uns auf die Suche! Hatten uns fest vorgenommen ein original australisches Känguruh-Steak in einer einheimischen Gaststätte zu essen. Wir fragten an der Tankstelle und wurden zum „Diamond House“ geschickt. Von außen wirkte es wie ein edles Stübchen, Motel und Restaurant zugleich. Und Känguruh-Steak stand auf der Karte – zwar gar nicht billig, aber wir waren ja nur einmal hier und das unser letzter, „wilder“ Abend! Im legeren Dauerlook, schon wieder fröstelig und nicht ganz frisch geduscht ging es ab in die gute Stube, die durchaus rustikal wirkte (ähnlich einer ländlichen Gaststube in Deutschland). Wirt und Rezeptionist sowie Koch und Kellner wurden von einem einzigen älteren Australier dargeboten. Und dieser kam doch tatsächlich zur Aufnahme der Bestellung direkt an unseren Tisch! Wir orderten Bier und Weißwein, erkundigten uns über das Känguruh-Steak. Nur roh würde er uns das hier servieren, alles andere wäre Stilbruch! Uh, ich änderte meine Meinung schnell, Wolfi nicht. Um ihn endgütig zu überzeugen, brachte der Wirt die einzigen anderen beiden Gäste, ein Ehepaar aus Melbourne, mit ins Gespräch, weil die gerade Känguruh-Steaks vor sich auf dem Teller liegen hatten und es sichtlich genossen. Resultat: Ich bestelle eine mit Tomate und Feta gefüllte Hühnchenrolle, Wolfi das rohe Beuteltier im Tellerformat. Das Essen ließ trotz dem Ein-Mann-Betrieb nicht lange auf sich warten. Wir staunten über die herrliche Präsentation, wurden verzaubert vom Geschmack! Wirklich top! Wir aßen restlos auf und lobten den Koch! Sooo lecker! Satte 72$ betrug die Rechnung, aber das hatte sich gelohnt! So frisch würden wir so schnell nicht wieder an Känguruh kommen! Zur Verdauung gingen wir im Dunkel anschließend auf Cache-Jagd, hielten am Highwayrand in Stawell schnell das Döschen in der Hand. Juhu, auch Aussi war becachet. J Nachdem wir erst im Park Stawells unter den Eukalyptusbäumen und Rosellavögeln ein Plätzchen für die Nacht einnahmen, entschieden wir etwas später doch noch 60km weiter in Richtung Melbourne zu fahren und im Langi Ghiran State Park Aufstellung zu nehmen. Über Gravelroads irrten wir durch den Park aus Eukalyptusbäumen, sahen noch einmal wilde Känguruhs und Wallabes im Dickicht herumspringen und fanden irgendwann ein feines Versteck unter hohen Eukalyptusbäumen. Die letzte Auto-Nacht unserer achtmonatigen Reise war angebrochen… Frei, unabhängig, einfach dort, wo es schön ist – zum letzten Mal… Das würde uns bald fehlen!!! Einmalige, unvergessliche Erfahrungen hatten wir auf diese Weise gesammelt! Aber zur Zeit war es hier in Australien auch so kalt wie nie zuvor und ein bisschen sehnten wir uns bereits den kommenden Abend herbei, an dem wir endlich wieder in echte, kuschlige, warme Bett fallen würden… In achtlagige Kleidungsschichten gepackt und mit für den Erfrierungsnotfall vorbereitetem Kocher auf dem Vordersitz legten wir uns schlafen. Huh, kalt!!!

08.30 Uhr riss uns der Wecker aus dem Schlaf. Wir hatten viel vor: Auto putzen, Sachen packen, kurze Wanderung zu Aboriginee-Höhlen unternehmen, unterwegs irgendwo eine Dusche und Wolfis JayCar-Laden finden und noch mindestens 200km bis Melbourne fahren, wo Wombatz spätestens um Drei wieder abgegeben werden musste. Doch vor alledem hatte Warmwerden Priorität. Wolfi hatte sich auf die letzte Nacht noch eine kleine Erkältung eingefangen… Wir schmissen den Kocher im Auto an, tauten langsam auf, tranken Tee und aßen Frühstück. Umziehen, Auto fegen, Sachen sortieren und packen… Schon war es Elf! Auf der Suche nach den Aboriginee-Malereien irrten wir wieder über Gravelroads durch den Langi Ghiran Park, bekamen noch einmal die Chance blaue leuchtende Rosellas ganz nah zu erleben und endlich auch zu fotografieren!!! Doch die Höhlen fanden wir erst in einem anderen Parkzugang, einige Kilometer weiter entlang des Highways. 30min wanderten wir, bis wir vor riesigen, australischen Findlingen ankamen, an denen es auf einer kleinen Fläche rote, schon ziemlich verblasste Malereien zu bewundern gab. Auf dem Rückweg zum Auto fanden wir trotz intenisver Suche hier keinen einzigen Koala in den Wipfeln der Eukalypten, dafür aber eine riesige, fette Larve auf dem Boden, wie wir sie noch nie zuvor gesehen hatten. So groß wie Wolfis 5€-Schein, den er seit acht Monaten ungenutzt im Portemonaite mit sich trug und der hier endlich als Vergleichsgegenstand zum Einsatz kommen durfte als wir die Größe dieser Larve fotografisch festhielten. Um Zwölf nahmen wir Fahrt auf, ab nach Melbourne! In Beaufort Tankstopp, keine Dusche gefunden, in Ballarat wieder ab vom Highway auf erfolgloser Suche nach JayCar durch diese große Stadt, zurück auf den Motorway 8 und schnell weiter. Die Zeit wurde knapp. Es war fast wie auf einer deutschen Autobahn: vier Spuren, hohe Geschwindigkeiten, Autobahn-Brücken, bloß sämtliche Verkehrsschilder grün statt blau und man fuhr natürlich auf der falschen Seite. In Bacchus Marsh (cooler Name) noch ein Stopp, wieder kein Jaycar, aber Kaffee für einen Dollar, und nun durch bis Melbourne. Halb drei befuhren wir die Stadt, durch die wir uns noch bis zur Verleihfirma durchfinden und auf dem Weg den Gaskocher auffüllen mussten. Wir verzweifelten fast als nach etlichen Versuchen und Umkehren keine einzige Tankstelle den Gaskocher auffüllen konnte. Schließlich rollten wir kurz nach Drei beim Verleih ein und zahlten $17 „Strafe“ wegen des Kochers. In fünf Tagen hatten wir 1200km zurückgelegt, die uns so viel vorkamen und auf Australiens Karte nur einen Minizipfel im Süden ausmachten. Viel hatten wir gesehen, besonders die Grampians waren toll! Wombatz war uns ein guter Kumpane gewesen. Die Mitarbeiter der Verleihfirma erlaubten uns sogar noch schnell die Dusche zu benutzen, da wir unterwegs nicht fündig geworden waren. Gerade als ich mit wüsten, nassen Haaren wieder rauskam und die dreckige Wäsche in unserem Berg von Gepäck verstauen wollte, stand Matt schon da, holte uns tatsächlich extra hier ab! Wow, da sahen wir ihn wieder, den Typen, den wir nur einmal kurz in Auckland getroffen hatten und der uns ohne uns zu kennen zu sich eingeladen hatte. Als auch Wolfi mit der Dusche fertig war und Matt das Erstaunen über unser vieles Gepäck noch immer ins Gesicht geschrieben stand, packten wir Matts Auto bis oben voll mit uns und unserem Krämpel. Es ging quer durch Melbourne, 30min bis in die City, die Matt uns als unser privater Stadtguide zu Fuß präsentierte. Sehr angenehm mal ohne Plan und Karte in der Hand einfach nur passiv herumgeführt zu werden, sich mal nicht kümmern zu müssen, wo, wie und was. Im Schnelldurchlauf zogen wir durch ein einziges Multikulti aus Asien, Europa und Afrika. In Chinatowns Restaurants hingen golden gebratene Enten in den Fenstern. Überall reihten sich zig Ess-Imbisse oder Restaurants aller erdenklichen Nationalitäten und Küchen aneinander. Neu neben alt, riesige Metrostationen, schräge Häuser mit bunten Anstrichen oder Anbauten, viele Shops, große Unigebäude, ein neuer Square, dessen Mosaiksteine aus der Luft wohl irgendein Bild ergeben sollten. Schief, bunt, groß, multikulturell und wirklich busy – Metropole Melbourne. Matt erklärte uns, dass es sogar eine spezielle Verkehrsregel in Melbourne gibt, die es nirgends anders gibt! Interessant auch, dass hier McDonalds zwar McDonalds heißt, aber Burgerking nur hier in Australien „Hungry Jack“ betitelt wird. Nach der Runde durch die City ging es mit dem Auto weiter in ein alternativeres Viertel. Es herrschte wirklich ein ganz andere Charakter, nicht mehr so hektisch, aber ebenfalls viele, viele Restaurants verschiedenster Länder: italienisch, griechisch, persisch… und Matt führte uns zum Afrikaner. Hatte er sich so für uns ausgedacht, er wollte uns etwas Spezielles erleben lassen, das wir noch nicht kannten. Toll! Matt, der als Australier britische, malaysische und sogar deutsche Wurzeln in sich trägt, ist selbst sehr interessiert an den Ländern und Kulturen der Welt, deren typischen Gerichten und Geschmäckern. Er ist 27 Jahre, arbeitet hier in Melbourne bei Mercedes Benz und wird in einem Monat nach Singapur versetzt. Er berichtete uns von seinem Leben in Australien, erzählte von alternativ-abgedrehten Freunden, von denen einer z.B. als Mathematik-Genie zum Profi-Pokerer geworden ist und davon super lebt. Matt, der in der City Garden Lodge in Auckland auch Anne kennen gelernt hat (die Frau, die im indischen Auroville lebt und mit uns das Essen mit der leicht schimmligen Geschmacksnote gekocht hat), hatte selbst schon einmal auf einer Indienreise einen Abstecher in dieses verrückte Auroville gemacht. Und es sei ja doch ziemlich sektenähnlich, meinte er. Wir hatten sehr interessante, tiefgründige Gespräche über das Reisen und dessen Einfluss auf die Lebenssicht, über Familie, die Welt, Religionen und das Leben. Nebenher aßen wir unter Matts erwartungsvoll gespannten Blicken das afrikanische Essen: auf einem großen Teller kam für uns drei dünnes Fladenbrot, das leicht säuerlich schmeckte, dazu verschiedene Fleisch-, Kartoffel- und Linsendips, kein Besteck. Man wäscht sich vorher die Hände und nimmt dann einfach mit den Fingern von dem einen großen Teller, was man möchte. Dazu gab es afrikanisches Bier. Und auf all das lud Matt uns ein, obwohl wir beharrlich versuchten, dies nicht anzunehmen. Matt freute sich und etwas Neues gezeigt zu haben. War ein wirklich schönes Essengehen mit ihm! Wir fuhren gegen 8 oder 9 zu ihm. Das Haus seiner Familie stand in einer relativ ruhigen Gegend mit vielen Einfamilienhäusern und war zur Zeit bis auf Matt unbewohnt. Matts malaysische Mutter war irgendwo auf der Welt auf Reisen und sein Bruder hatte eine eigene Wohnung. Die malaysischen Einflüsse machten sich durch Buddhas und Tempelbilder bemerkbar. Ein hübsches, ordentliches Häuschen und jeder von uns bekam ein eigenes Zimmer! Wolfi nahm das des Bruders und ich das der Mutter, mit riesigem, wahnsinnig gemütlichen Bett und Bad direkt dran. (Erst etliche Wochen später teilte mir Matt per Email mit, warum das Bett so außerordentlich bequem war… war nicht gerade das billigste Bett!) Das war glatter Luxus nach langem Autoleben! Wir saßen noch bis Mitternacht bei Bier, Tee, Keksen und Eis zusammen, fühlten uns sehr willkommen und wohl. Und wir schliefen echt gut, ganz ohne zu frieren, wie auf Wolken, in warme Decken und auf weiche Kissen gekuschelt und mit viel Platz! J

Am Sonntag standen wir um halb Neun auf, auch wenn man so hätte ewig weiter schlummern können. Nach einem schnellen Frühstück ging es mit dem Auto noch vor der Rush Hour durch Melbournes Straßen. Matt hatte sich Gedanken gemacht, was er uns heute alles zeigen würde. Die Tour begann in St. Kilda. Dieses sehr hübsche, eher alternativ-künstlerische Viertel mit einem echt gemütlichen Flair im Vergleich zur hektischen City hatte einen schönen Strand, einen kleinen Vergnügungspark, etliche Cafes (z.T. auch mit leckerer deutscher Bäckerware im Fenster) und einen allsonntaglichen Markt an der schicken, sehr sauberen Promenade mit richtigen Palmen wie im Film J Es regnete leicht. Auf dem Markt gab es eher Kreatives und Künstlerisches zu erwerben, sogar Jonglierbälle! Hab zwar sehr überlegt, aber doch keine mitgenommen, da mir schon Pascal berichtet hatte, es gäbe zumindest in Neuseeland große Probleme bei der Ausfuhr aufgrund der Samen im Inneren. Dann war das in Aussi bestimmt nicht anders! Matts Interesse an meinen Jonglierkünsten war jedenfalls geweckt. Er wünschte sich Lehrstunden am Abend J Nach St. Kilda fuhren wir wieder in die Innenstadt. Matt führte uns auf den Victoria Market, einen riesigen Markt, der zum Teil in einer Halle liegt, aber auch im Freien unter Überdachungen unendlich viele Stände hat. Erinnerte mich total an den großen Markt in Budapest. Hier gab es wirklich alles – Klamotten, Souvenirs, Elektronik und jegliches Essen inklusive deutscher und ungarischer Wurst sowie „Donuts“, von denen Matt als besondere Spezialität schwärmte… Nach einem Käse-Spinat-Gebäck gönnten wir uns noch diese berüchtigten „Donuts“, vor deren Wagen eine Schlange Wartender stand. Wir guckten nicht schlecht als uns dann eine Tüte voller Mini-Berliner gepackt wurde. J Sowas nennen die hier also „Donuts“. Lecker waren sie! Zu Fuß ging es von dem interessanten, quirligen Treiben weiter, Donuts-mampfend vorbei am Stadion zu den Docklands am Wasser. Hier standen riesige, neue Hochhäuser mit strahlenden Glasfronten nahe den alten Anlegern. Man hatte einen Blick auf die neue Motorway-Brücke, über die wir vor einigen Tagen die Stadt verlassen hatten. Alles groß und sauber. Mit der für Melbourne typischen, braunen, kostenlosen Tram fuhren wir ein paar Stationen zurück um dann zu Fuß den Yarra River zu überqueren. Knallrote Herbstbäume von Übersee säumten die Flusspromenade und warfen bereits ihre bunten Blätter auf den Stadtbeton dieser australischen Metropole. Es wurde Herbst am anderen Ende der Welt. An einer etwa drei Meter hohen Mauer blieben wir neben einer Gruppe weiterer Zuschauer verdutzt stehen um zu beobachten wie einige sportliche Jugendliche versuchten bzw. es sogar schafften diese Mauer aus dem Laufen heraus zu überrennen oder zu bespringen… Diese Sportart nennt sich Parkour und sieht verrückt aus. Hatten wir zuvor auch noch nie gesehen. So langsam taten uns bei Matts Ausdauer und flottem Schritt die Füße weh, wir hatten Durst und ich Lust auf ein riesiges Eis. Das würde es aber bald geben. Matt eröffnete uns nun erst noch die Casino-Welt Melbournes. Mitten am Nachmittag des Muttertags betraten wir diesen riesigen Luxuskomplex am Yarra River, tauchten ein in eine Welt, in der es kein Tag oder Nacht gab. Mitten am Nachmittag des Muttertags zockten hier an zig Tischen und Automaten in einem riesigen, edlen Komplex erfüllt von Schummerlicht Uralt, Grauhaarig und mit Hörgerät sowie Jung, Omas und Opas mit Krücken und ganze Familien sowie viele Asiaten in edelsten Anzügen um Geld. Wir mitten in Backpackerkluft und mit weit aufgerissen Mündern und Augen dazwischen umher taumelnd (…ich natürlich fotografierend und sogleich ermahnt von der Security…). Das war wirklich eine erstaunlich Erfahrung für uns, die wir solche Großstädte und so etwas wie Casinos überhaupt gar nicht gewohnt waren. Ne, sowas hatten wir auch noch nie gesehen! Wie eine Unterwelt, von der man nichts ahnt, wenn man friedlich aber zügigen Schrittes am Fluss entlang marschiert. Raus aus der edlen Spielhölle stellte ich mir nun immer intensiver vor wie wir gemütlich am Fluss auf einer Bank sitzend ein Eischen schleckten und die Füße ein paar Minuten ruhen ließen… doch von wegen wir marschierten weiter. Da hinten gäbe es noch besseres Eis… Oh, zum Glück merkte Matt nicht, wie es mir erging. Ich hatte schon eine ganz leichte Welle von Wut in mir, keine Lust mehr etwas zu sehen oder noch einen Meter zu laufen und ich staunte sehr, dass Wolfi sich noch nicht beklagte! Matt hatte eindeutig mehr Laufausdauer und benötigte weniger Essen als wir J Er erkundigte sich immer wieder, ob es bei uns zuhause auch so aussähe oder ob es bei uns zuhaus auch so etwas gäbe, wenn wir an irgendwelchen Dingen vorbeiliefen. Irgendwann erreichten wir endlich wieder das Auto, endlich! – total fertig und ohne Eis, hungrig und halb verdurstet, so kam ich mir zumindest vor. Ein Glück, nun fuhren wir wieder zu Matt nach Hause. Er füllte unsere Reserven mit Tee und Keksen wieder auf und schnell waren wir wieder fit. Die erste Jonglierstunde begann in der Küche. War das lustig, es mal jemandem anderen beizubringen. Und Matt wollte es wirklich unbedingt lernen! Gegen sieben Uhr fuhren wir dann in einen benachbarten Vorort mit vielen asiatischen Restaurants und Bars. Matt lehrte uns aus seiner Erfahrung mit asiatischer Gastronomie die Restaurants auszuwählen, die am vollsten, lautesten, hektischsten und chaotischsten wirken und wo am besten auch nur Asiaten essen gehen. Dort sollte man essen, weil der Durchlauf hoch und das Essen umso frischer sei. Die Restaurants, naja es hatte eher was von größeren Asia-Imbissen, waren absolut nicht zu vergleichen, mit den China-Restaurants, in die wir in Deutschland gehen. Das hier war wirklich asiatisch! Nachdem wir alle Restaurants von außen begutachtet hatten, entschieden wir uns für ein chinesisch-vietnamesisches Restaurant. Wieder lud uns Matt auf das Dinner ein. Es gab Reis, Huhn, anderes Fleisch, Ei, Gemüse. Das alles wurde schnell bestellt, schnell gebracht zusammen mit chinesischem Tee und Wasser statt anderen Getränken, von uns gegessen und schon waren wir auch wieder weg um den Tisch für folgende Gäste frei zu machen. Ein Mahl für $9, echt okay! So war also Asien! Auch in diese Welt hatte uns Matt nun eingeführt und sie hatte uns gut gefallen und gesättigt. Zurück im Haus gab es weitere Jonglierlehrstunden mit kleinen Erfolgen, Tee, Gespräche und tolle Reisefotos von Matts Trips nach Indien, Tibet, China und Thailand. Er war damals elf Monate unterwegs und tourte auch durch einige osteuropäische Länder, die ihm sehr gut gefallen hatten. Wir stimmten alle drei überein als wir versuchten herauszufinden, was eigentlich das Beste am Reisen sei: das Freisein, bloß ein Rucksack und die Füße und keine Sorgen um nix, weil man alles, was man zum Leben braucht, an sich hat. Freiheit und die Begegnungen unterwegs, viele tolle Orte. Einfach das Reisen und unabhängig Unterwegssein an sich und der neue Blick auf die Welt, der sich eröffnet. Noch einmal fielen wir in die weichen, warmen Betten und schliefen guuuut.

Am Montagmorgen wachte ich schon um acht Uhr auf, las im Bett mein Millenium-III-Buch fertig. Irgenwann standen wir auf, duschten und aßen Frühstück. Matt hatte bereits sehr früh das Haus verlassen, da er arbeiten musste. Wir sollten es uns bequem machen und nehmen, was wir brauchten. Es war unser Abreisetag! Auch Australien war für uns nun beinahe zu Ende. Nach dem wir den Online-Check-In erledigt hatten, wurde gepackt. Erst gegen ein Uhr riefen wir Matt an der Arbeit an, da er unbedingt darauf bestand uns zur Tram-Station zu fahren. Er kam also kurz nach unserem Anruf extra von der Arbeit zurück gefahren, packte uns und unser Gepäck ein und setzte uns an der Straßenbahnstation ab. So ein netter Mensch! Er sagte, er sei echt traurig, uns verabschieden zu müssen. Wir bedankten uns für seine viele Hilfe, Mühen und die tolle Zeit bei und mit ihm, verabschiedeten uns herzlich und luden ihn zu uns nach Hause ein. Wäre toll, wenn so etwas mal klappt. Wer weiß. Wir versprachen, in Kontakt zu bleiben. Was Matt zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnte: dass auf dem weichen Bett seiner Mutter ein kleines Abschiedsgeschenk wartete. Wie gewünscht hatte ich ihm eines unserer traditionellen, heimischen Rezepte aufgeschrieben – Omchens Heringssalat. Matt ließ sich von jedem, den er auf Reisen näher kennen lernt, ein Rezept geben. Keine Ahnung, ob er alle Zutaten für den Heringssalat hier finden und das Rezept je ausprobieren würde… Aber nun machte Omchens Heringssalat-Rezept auch eine halbe Welt weit weg seine Runden J Dann lagen da auch noch meine Jugglingballs, die ich mir in Neuseeland zum Üben gekauft hatte und mit denen Matt seine ersten Lehrstunden gehabt hatte. Ich würde mir zuhause neue kaufen und Matt sollte mit denen ordentlich weiterüben J Zuletzt lag auf dem Haufen noch der dritte Teil der Millenium-Reihe und ein Abschiedsbrief. Außerdem ließen wir die Emirates-Decken und unsere Schlafsäcke zurück. Würden wir nun sicher nicht mehr brauchen. Unser Gepäck war dadurch zumindest etwas übersichtlicher. Nachdem wir mit der Bahn in der zentralen Southern Cross Station angekommen waren, besorgte ich schnell noch ein paar australische Postkarten und Wolfi kaufte sich in letzter Minute noch einen weiteren kleinen Freund… Mit dem Skybus ging es dann für $16 p.P. gegen 5pm an den Airport. Melbourne verabschiedete sich mit einem herrlich orange leuchtenden Abendhimmel von uns. Das war’s liebe Südhalbkugel! Leider hatten wir es nicht geschafft, Prinz Pascal hier in Melbourne noch einmal wiederzutreffen. Also verabschiedeten wir uns per SMS voneinander. Außerdem kam bald eine SMS von Matt, in der er sich für die Abschiedsüberraschung bedankte. Er freute sich sehr darüber. Am Flughafen klappte der Check-In schnell und problemlos. Ganz entspannt verbrachten wir die letzte Stunde am Flughafen, in dessen Hallen eine sehr angenehme und überraschend ruhige Abendstimmung eingekehrt war. Wir schlenderten umher, alberten herum und telefonierten mal nach Hause. Komisch, plötzlich rückte das alles bedeutend näher. Man legte am Ende des Gesprächs nicht auf und die Welt zuhause schien weit weg, plötzlich formten sich wieder Bilder im Kopf über all das, was zuhause wartete. Es nahm alles ungeheure Gestalt an, Termine wurden schon ausgemacht, wann man wen besuchen fährt, so als wäre man fast gar nicht mehr weg oder gar nie weg gewesen. Würden uns die zuhause alle verstehen können? Irgendetwas fühlte sich so anders an. Zwischen zwei Welten, und die, in der wir uns die letzten Monate aufgehalten hatten, verabschiedete sich immer heftiger. Aber diese Reise hatte etwas verändert, in uns. Die Welt steht uns offen, andere Gedanken, Empfindungen, Prioritäten und Ziele… Wie soll das nur alles mit dem Alltag zuhause wieder zusammenpassen? Alle erwarten uns zuhause voller Vorfreude. Und wir freuen uns auch ganz sehr auf euch, aber zugleich ist es doch irgendwie merkwürdig. Ich denke jeder hat sich in dieser Zeit weiterentwickelt, nicht nur wir. 20.25 Uhr war Boarding, um 21.25 Uhr hoben wir ab, saßen im 4er-Mittelblock auf der linken Seite und flogen durch das Dunkel zurück gen Norden. Wir ließen die halbe Welt weit weg hinter uns, denn das was uns jetzt noch in Dubai erwarten würde, ließ sich ganz bestimmt nicht mehr mit Neuseeland und Australien vergleichen. Die Reise war irgendwie schon innerlich zu Ende, obwohl noch ein paar Tage folgen würden… Adieu, Südhalbkugel und danke für deine Schönheit, die vielen Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen. Magische Orte durften wir kennen lernen, freundliche, so hilfsbereite Menschen, fühlten uns frei und haben viel gelernt. Wir werden dich vermissen und kommen ganz sicher wieder zurück! Bis bald…

(Dieser Artikel wurde erst in Schlotheim bzw. Erfurt anhand von Reisenotizen mehrere Monate nach unserer Rückkehr (am 16.03.2012) fertig gestellt und veröffentlicht, wurde aber trotzdem zeitlich an die eigentliche Stelle im Reisebericht eingeordnet.)

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Eine Antwort auf Neun Tage Australien: durch Victoria mit Wombatz und Citylife in Melbourne mit Matt

  1. Frank und Anke sagt:

    Hallo Tini,
    wie immer ein toller Beitrag von eurer großen Reise und sagenhaft schöne Fotos, manche davon kommen uns ziemlich bekannt vor!!!
    Jetzt erstmal einen schönen Urlaub euch allen in Vietnam und tschüss bis bald in der Heimat.
    Frank und Anke.

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